Kleiner Spoiler am Anfang: Das perfekte Geheimnis ist ein guter, deutscher Film. Er regt sehr zum Denken (Nach- und Überdenken) an und zeigt Schwierigkeiten der Gesellschaft auf. Vor allem in der heutigen Zeit, wo die Smartphones so wichtig in unserem Leben geworden sind. Die Frage ist: Wie viel gibt mein Smartphone und der Umgang mit anderen Personen über mich und dich preis?
Ein Abend, drei Frauen, vier Männer und sieben Smartphones. Obwohl die Personen sich teilweise schon seit vielen Jahren kennen, wissen sie vieles nicht übereinander. Diese Tatsache eskaliert, als beim Abendessen ein Spiel gespielt wird: Jeder legt sein Smartphone auf den Tisch, eingehende Textnachrichten werden vorgelesen und kommende Anrufe auf Lautsprecher gestellt.
Im Prinzip könnte man Das perfekte Geheimnis als Zusammentreffen der Fack ju Göhte-Schauspieler ansehen. Nur, dass wir hier keine dümmliche Chantal vorgesetzt bekommen. Aber nicht nur die Schauspieler sind mit von der Partie, sondern auch der Regisseur Bora Dagtekin ist wieder mit dabei.
Lob
Man sollte den Film auf jeden Fall an dieser Stelle dafür loben, dass er mit so wenigen Räumen und so wenigen Charakteren auskommt, ohne langweilig zu werden. Bis auf vereinzelte Szenen findet der komplette Film in der Wohnung von zwei der Protagonisten statt. Im Prinzip bekommen wir mit diesem Film einen schönen, intimen Abend mit sieben fremden Personen, die sich untereinander aber teilweise schon seit vielen Jahren kennen, zumindest die Männer. Das Setting ist somit eher ungewöhnlich. Das war jedoch nicht der einzige Grund, der mich an diesem Film gereizt hat.
Ich persönlich verbringe viel zu viel Zeit am Handy und ich denke, ich bin mit dieser Ansicht nicht alleine. Es geht bestimmt vielen Menschen so. Außerdem wird unser Smartphone generell immer wichtiger finde ich, gerade im Bezug auf die Kommunikation zwischen Menschen. Dabei gibt es so viel zu beachten und so viele Fettnäpfchen, in die man treten kann.
Genau das zeigt Das perfekte Geheimnis. Dabei regt er definitiv zum Nachdenken an und zeigt die dunklen Seiten von Menschen auf, die auf den ersten Blick völlig normal wirken. Ich denke, dass sich hier bestimmt einige Menschen beim anschauen völlig Ertappt vorkamen. Jeder macht irgendwas, was man eigentlich nicht machen sollte, denke ich. Das finde ich sowohl die Stärke vom Film, als auch die Schwäche.
Kritik
Ein bisschen Kritik muss ich dennoch ausüben. Teilweise wurden nicht alle Themen aufgeklärt und am Ende stand ich hier und da doch mit einem Fragezeichen über dem Kopf da. Wer Spannung sucht, ist hier denke ich auch an der falschen Adresse. Ich fand, Das perfekte Geheimnis hat versucht Spannung aufzubauen, es aber leider kaum geschafft.
Außerdem waren mir die Charaktere in dem Film viel zu schlagfertig. So viele Sprüche auf einmal findet man sonst eigentlich nur bei Sprüchebildern auf Facebook. Jedenfalls wurde hier keine Situation ausgelassen um dies zu demonstrieren und auf die Kürze des Films bezogen war mir das einfach “too much”.
Zum anderen war Das perfekte Geheimnis sehr vorhersehbar und dadurch hat er schwer überraschen können. Mein Freund hat den Film nicht gesehen und ich habe ihn gefragt, ob er sich vorstellen kann, welche Themen hier behandelt werden. Ohne irgendetwas darüber zu wissen, nur anhand des Trailers hat er sofort alle Hauptthemen richtig geraten. Spricht nicht so für den Film, hier geht es aber ja auch hauptsächlich um die Aufarbeitung der Themen als die Themen an sich. Die Folgen von Lügen und Betrügen sind eigentlich ja auch Interessanter, als die Themen in ihrem Kern. Ja, in diesem Zusammenhang passt das Wort Interessanter sehr gut finde ich. Man labt sich hier quasi am Elend der Leute, an dem sie jedoch selbst Schuld sind. Ein bisschen wie Unterschichten-Fernsehen in Echtzeit.
Hintergründe
Wem die Handlung übrigens bekannt vorkommt: Wundert euch nicht. Ich musste schon beim Trailer unweigerlich an den französischen Film Le Jeu – Nichts zu verbergen von Netflix aus 2018 denken. Als erstes hat sich der italienische Film Perfect Strangers aus 2016 an dieser Idee bedient. Da ich die anderen Filme nicht gesehen habe, kann ich natürlich keine Vergleiche anstellen, aber ein bisschen frage ich mich schon, warum es notwendig ist drei Filme mit derselben Ausgangsidee, demselben Plot, derselben Figurenkonstellation zu drehen…?
Die Antwort ist jedoch simpel wie genial: “Sage und schreibe 18 Remakes zu diesem Film wurden in Gang gesetzt (von denen manche noch nicht erschienen sind)”. (Quelle: Quotenmeter) Es wird hier aufgrund von “Perfect Strangers” versucht, einen Weltrekord zu knacken. Unter dem Gesichtspunkt ist es wieder cool, dass wir deutschen an dieser Stelle mit von der Partie sind. Wer mehr über die anderen Filme wissen möchte, z. B. die Länder in denen sie gedreht wurden, dem empfehle ich diesen Artikel von Moviepilot.
Na, könntet ihr so einen Abend überstehen, ohne ein schlechtes Gewissen oder Gefühl zu bekommen? Da ich mit meinem Umfeld sehr offen umgehe und keine solch tiefgründigen Geheimnisse habe, denke ich nicht, dass es mit mir im Film so ein Chaos gegeben hätte, wobei ich mich gerade dadurch mit einem Charakter sehr gut identifizieren konnte. Von daher denke ich, dass da für jeden etwas dabei ist und man sich irgendwo bestimmt wiedererkennt.
Auch wäre es schön, wenn man durch den Film das eigene Verhalten im Bezug auf das Smartphone und die Menschen in seinem Umfeld überdenkt. Kleine Lügen können eine riesige Welle mit sich ziehen. Ich fand dieses Experiment auf der großen Leinwand auf jeden Fall sehr spannend, auch wenn der Film an manchen Stellen seine Ecken und Kanten hat. Dennoch hat er Spaß gemacht und war ein interessantes Gedankenspiel. Wer nun neugierig geworden ist, sollte sich den Film ruhig mal anschauen. Mehr als einmal muss man ihn aber in meinen Augen nicht anschauen.